GESELLSCHAFT FÜR POLITISCHE ÖKONOMIE E.V.
Theorie des Geldes

Geld – Eine zentrale Institution

In allen so genannten entwickelten Industrieländern verwendeten Sprachen finden sich Redewendungen wie „Geld regiert die Welt“. Das ist wenig überraschend, denn sie sind Ausdruck der Erfahrung von Menschen, dass in ihrem Leben Geld eine existentielle Rolle spielt. Die mit dem Besitz von Geld verbundenen Möglichkeiten, aber auch die Schwierigkeiten, an Geld zu kommen, sind uns allen aus unserem alltäglichen Leben vertraut. Unser Gebrauch von Geld vermittelt uns daher den Eindruck, dass wir alles über die Bedeutung des Begriffs „Geld“ wissen, was zu wissen wert ist.

Die Frage danach, auf was der Begriff des Geldes sich eigentlich bezieht, scheint vor diesem Hintergrund allenfalls von philosophischem Interesse zu sein. Anstatt seine Zeit mit einer letztlich obskuren Wesensschau zu vergeuden – so die weit verbreitete Ansicht – sollte sich ein Sozialwissenschaftler wie jeder andere Wissenschaftler darauf konzentrieren, die universellen Beziehungen zwischen empirischen Ereignistypen zu erforschen.

Der Eindruck, dass es zu der Frage, was Geld eigentlich genau ist, nicht viel zu sagen gebe, wird durch die Meinung vieler Ökonomen verstärkt, die ihre Theorien der Marktwirtschaft auf der Fiktion einer letztlich geldlosen Tauschwirtschaft entwickeln. Für sie ist Geld ein Schleier, der weggezogen werden müsse, um dahinter die Gesetzmäßigkeiten der Marktwirtschaft erkennen zu können. Sobald man hinter diesen Schleier schaut, sehe man, dass immer Waren gegen Waren getauscht würden. Es ist also kaum verwunderlich, dass Georg Friedrich Knapp und sein Werk, aus dem Fokus der wirtschaftswissenschaftlichen und öffentlichen Debatten verdrängt wurde.

Nun ist aber nicht zu bestreiten, dass Unternehmen in kapitalistischen Gesellschaften primär auf einen monetären Gewinn zielen. Ihr Tun zielt also darauf, dass die mit der „Produktion“ eines Gutes verbundenen Kosten niedriger sind als die mit dessen „Verkauf“ erzielten Erträge. Damit es Organisationen geben kann, deren Tun von einer Gewinnerzielungsabsicht geleitet wird, ist es daher unabdingbar, dass sie die Kosten und Erträge ihres Geschäftsbetriebes mit Geld bewerten können. Geld also ist in diesem Fall keine Ware sondern eine Recheneinheit, mit der Güter bewertet werden. Und die Differenz von den mit dieser Recheneinheit bewerteten Kosten für den Erwerb oder die Herstellung eines Gutes und der mit ihr bewerteten Erträge aus ihrem Verkauf – also dem Gewinn – ist das Maß, an dem Unternehmen den Erfolg ihrer Handlungen bemessen.

Geld scheint aber nicht nur die Bewertung von Wirtschaftsgütern zu ermöglichen, sondern auch die Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises eines Wirtschaftsguts zu erlauben. Geld scheint demnach keine Ware oder ein wie auch immer zu verstehender Repräsentant einer Ware zu sein, sondern ein Zahlungsmittel, das man von einem Wirtschaftssubjekt an ein anderes transferieren muss, damit man rechtmäßiger Eigentümer eines Wirtschaftsguts werden kann.

Unter denjenigen, die Geld als ein Zahlungsmittel sehen, besteht nun aber wieder keine Einigkeit darüber, welche Eigenschaften es genau sind, die ein Zahlungsmittel zu Geld machen. Viele lehnen es ab, auch Giroguthaben auf Geschäftsbankkonten als Geld zu erachten. Sie meinen, Giroguthaben seien lediglich „Forderungen auf Geld“. Andere wiederum möchten zwischen Giralgeld und Zentralbankgeld unterscheiden und behaupten, das erstere sei das Geld des Publikums und das andere das der Banken.

Damit nicht genug. Viele meinen, dass nicht nur Guthaben auf Girokonten, sondern auch Guthaben auf Sparkonten oder bestimmte Wertpapiere und Geldmarktfonds als Geld zu bestimmen sind. Der erste Eindruck, der sich aus unserer Vertrautheit mit dem Phänomen Geld schließen ließe – dass nämlich über den korrekten Gebrauch des Begriffs „Geld“ weitgehend Konsens besteht –, scheint also zu täuschen.

Was ist Geld?

Geld ist für viele Ökonomen in Anschluss an Carl Menger lediglich eine Ware, die wie andere Waren auch einen intrinsischen Wert haben. Für Menger ist Geld ein evolutionäres Phänomen, das sich auf den Realtausch von Gebrauchsgütern zurückführen lässt. Er nimmt also implizit an, dass sich die Mitglieder einer Gemeinschaft schon weitgehend auf die Herstellung bestimmter Güter spezialisiert hatten und sie daher für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse auf den Tausch angewiesen waren. Das Problem einer solchen Tauschwirtschaft besteht nun darin, dass man einen Tauschpartner finden muss, der des Guts bedarf, das man selbst herstellt. Da das unmöglich sein dürfte, werden Menschen auch Waren tauschen, die für sie keinen Gebrauchswert, sondern lediglich einen Tauschwert haben. Hat eine Person aber mehrere Bedürfnisse, dann muss sie, um diese erfolgreich durch den Tausch befriedigen zu können, über die Werteinschätzungen aller möglichen Tauschpartner bezüglich aller möglichen Güter eine wohl begründete Meinung haben.

Glücklicherweise, so Menger, unterscheiden sich die Güter in ihrer Marktgängigkeit. Ein Gut ist nach seiner Meinung umso marktgängiger, je knapper es ist, also je weiter Bedarf und Verfügbarkeit auseinanderfallen. Wer fähig ist, solche marktgängigen Güter zu identifizieren, der werde sich besserstellen können, als diejenigen, die dazu nicht in der Lage sind. Der Erfolg der Cleveren bleibe aber langfristig auch den Dümmeren nicht verborgen.

„Sicherlich haben Uebung, Nachahmung und Gewohnheit mit ihrer mechanisierenden Wirkung auf die Handlungen der Menschen auch in diesem Fall nicht wenig dazu beigetragen, dass die nach Massgabe örtlicher und zeitlicher Verhältnisse marktgängigsten Waren zu allgemeingebräuchlichen Tauschmitteln, das ist zu Waren wurden, welche nicht nur von vielen, sondern schließlich von allen wirtschaftlichen Individuen im Austausche gegen die zu Markte gebrachten (minder absatzfähigen!) Güter, und zwar von vornherein in der Absicht angenommen wurden, dieselben weiter zu vertauschen.“ (Menger 1892/1970, S. 13)

Als Knapp 1905 seine „Staatliche Theorie des Geldes“ publizierte, war diese Vorstellung von Geld als einer besonderen Ware ohne Zweifel hegemonial. Kein Wunder, denn das gesamte Geldsystem beruhte auf dem Goldstandard, der zumindest suggerierte, dass man Staats- und Banknoten jederzeit in Gold konvertieren könne. Knapp aber kam auf Basis einer detaillierten Analyse des Geldsystems seiner Zeit zu einer Schlussfolgerung, die dem Geldbegriff von Menger diametral entgegengesetzt ist. Geld, so erkannte Knapp, kann nicht auf den Tausch und die Nutzenempfindungen zurückgeführt werden, sondern muss als „ein Geschöpf der Rechtsordnung erachtet werden, welche dessen „Gebrauch regelt“.

Damit wird Geld von Knapp – ganz modern – als eine staatliche Institution erkannt. Es ist sicherlich keine Übertreibung, zu behaupten, dass ohne Knapp der Postkeynesianismus und seine Versuche, die Marktwirtschaft als eine Geldwirtschaft zu analysieren, kaum denkbar wären. Knapps Geldbegriff führt zu einer makroökonomischen Theorie, in der die Allokation von Ressourcen sowie die Produktion und Distribution von Gütern primär von monetären Erwägungen abhängig ist. Ein Unternehmer wird in einer Geldwirtschaft, wie schon Keynes hervorhob, daher seine Produktionsmenge von seinen Profiterwartungen abhängig machen. Ein höherer Profit kann aber durchaus mit einer geringeren Produktionsmenge verbunden sein, die dann in der Folge zu unfreiwilliger Arbeitslosigkeit führt.

Max Webers Einschätzung, dass das Werk „eines der größten Meisterstücke der deutschen […] wissenschaftlichen Denkschärfe“ ist, hat daher weiterhin Gültigkeit. Zum Beleg dieser These möchten wir im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse, die man aus der Lektüre des Buches gewinnen kann, kurz vorstellen.

Ein Geschöpf der Rechtsordnung

Geld als eine staatliche Institution zu bezeichnen, wirft natürlich die Frage auf, was überhaupt eine Institution ist? Hilfreich ist hierfür Ludger Jansens Charakterisierung einer Institution als eines kulturellen technischen Artefakts: Institutionen sind demnach Dinge, die ihre Existenz den Handlungen von Menschen verdanken und die hergestellt werden, damit sie für sie eine Funktion erfüllen. Ob ein technisches Artefakt die ihm zugedachte Funktion auch tatsächlich erfüllen kann, hängt in erster Linie von den physikalischen Eigenschaften des Artefakts ab.

Institutionen erfüllen die ihnen zugedachte Funktion dagegen dadurch, dass sie Akteuren bestimmte Rechte und Pflichten zuschreiben. Die Mehrzahl aller Institutionen dürfte sowohl durch Gesetze als auch durch Normen konstituiert sein. Institutionen aber sind – wie alle sozialen Phänomene – keine Entitäten, die sich alle derselben ontologischen Kategorie zuordnen lassen. Wie Jansen ausführt, können Institutionen Qualitäten, Quantitäten, Relationen, Orte, die Zeit, Handlungen, Ereignisse aber auch Objekte sein. Als Beispiel einer institutionalisierten Qualität nennt er die Approbation; als Beispiel für die der Quantitäten führt er unsere konventionellen Maßsysteme an; für Relationen, die der Beziehungen von Menschen in sozialen Hierarchien, wie z.B. der Vorgesetzte von jemandem zu sein; als Beispiel von Orten, Damentoiletten; der Zeit, Festtage; für Handlungen, die Beförderung und die Degradierung; für ein Ereignis, die Promotion und für Objekte, Präsidenten und Unternehmen.

Ist Geld, wie von Knapp vorgeschlagen, eine Institution in diesem kurz skizzierten Sinne, dann muss man, um Geld zu charakterisieren, die folgenden vier Fragen beantworten:

  • Was für eine Art von „Ding“ ist Geld?
  • Was ist seine Funktion?
  • Durch welche Normen und/oder Gesetze wird es konstituiert?
  • Was erklärt seine Akzeptanz?

Was es ist

Dollar, Yen, Pfund, Kronen und Euro sind „Geld“, weil in den entsprechenden Währungsräumen Güter mit diesen Recheneinheiten bewertet werden müssen. Aber mit diesem Geld wird nicht nur gerechnet, sondern erstaunlicher Weise werden mit Dollar, Yen, Pfund, Kronen und Euro auch Wirtschaftsgüter bezahlt. Wie ist dieses „Geld“ genauer zu charakterisieren? Um das Wesen von Geld zu verstehen, so lesen wir bei Knapp, ist es wichtig zu sehen, dass Geld ein soziales Phänomen ist, das Parallelen zu anderen sozialen Phänomenen aufweist, „die im Rechtsleben auch sonst häufig“ vorkommen:

„Wenn wir unsere Mäntel beim Eintritt ins Theater zur Aufbewahrung abgeben, erhalten wir dafür ein Messingplättchen von bestimmter Gestalt, das ein Zeichen trägt, etwa eine Nummer. Es steht weiter nichts darauf, aber diese „Marke“ hat eine rechtliche Bedeutung: sie ist Beweis dafür, daß ich den abgelegten Mantel wieder zu fordern habe. Wenn wir Briefe absenden, bekleben wir sie mit einer „Marke“, welche beweist, dass wir durch Portozahlung das Recht erworben haben, diesen Brief durch die Post befördern zu lassen.“

Geld ist demnach ein Typus eines dokumentierten Anspruchs eines Subjekts gegenüber einem anderen Subjekt auf ein „Gut“. Messingplättchen im Theater mit einer Zahl darauf dokumentieren z.B. meinen Anspruch gegenüber dem Garderobier auf das Gut „Mantel“, eine Briefmarke auf das Gut „einen Brief z.B. durch die Post zum angegebenen Empfänger befördern“. Wie und mit welchen Mitteln solche Ansprüche auf ein Gut dokumentiert werden, ist, wie die Beispiele zeigen, unwichtig. Hauptsache, ein Regelautor hat festgelegt, welchen Anspruch eine „Marke“ auf was und wem gegenüber unter welchen Umständen dokumentiert.

Für was es ist

„Unsere Zahlungsmittel nun, seien es Münzen oder Scheine, haben die genannten Eigenschaften ebenfalls; sie sind Zahlungsmarken, das heißt Marken, die als Zahlungsmittel dienen. […] Wie bei allen anderen Marken, so ist auch für die Zahlmarken nur wichtig, dass sie Zeichen tragen, die von der Rechtsordnung genau vorgeschrieben sind. Nicht wichtig ist, dass sie einen Text, im Sinne der Schrift enthalten; ja, weder was in Buchstaben, noch was in Hieroglyphen (Wappen) etwa darauf steht, kommt als Text in Betracht. Es kommt nur in Betracht, insofern es ein Kennzeichen ist. Was aber diese Zeichen bedeuten, das wird nicht durch Lesung dieser Zeichen, sondern durch die Einsicht in die Rechtsordnung erkannt. […] Vielleicht gestattet das lateinische Wort ‚Charta’ den Sinn von Marke; wenn es nicht der Fall sein sollte, so fordern wir es und zwar hauptsächlich, weil wir daraus ein allgemeinverständliches, wenn auch neues Adjektivum bilden können: chartal. Unsere Zahlungsmittel haben die Marken- oder Chartalverfassung; nur mit Zahlmarken, mit chartalen Stücken, kann man bei den Kulturvölkern unserer Zeit Zahlungen leisten.“ (Knapp 1905 S. 26f.)

Alle Marken dokumentieren Ansprüche des Inhabers dieses Dokuments gegenüber einem Dritten auf ein Gut, aber nicht alle auf diese Weise dokumentierten Ansprüche sind Zahlungsmittel. Von Zahlungsmitteln kann man nach Knapp nur dann sprechen, wenn sie einen Anspruch auf ein in einer Währung bewertetes Gut dokumentieren und es rechtlich erlaubt ist, es als Zahlungsmittel zu verwenden.

Zahlungsmittel sind nach dem Gesagten also Dokumente, mit dem ihr Inhaber in Währung denominierte Schulden begleichen darf. Schulden z.B., die aus dem Abschluss von Kaufverträgen, unterschiedlichen Nutzungsüberlassungsverträgen, Arbeitsverträgen und Darlehensverträgen hervorgegangen sind. Solche „Geldschulden“ können getilgt werden, indem ein Geldschuldner ein geeignetes „Dokument“ an den „Geldgläubiger“ in der geeigneten Weise überträgt.

Welche Regeln es zu Geld machen

Knapp argumentiert, dass zwischen staatlichen und privaten Emittenten von Zahlungsmitteln unterschieden werden muss, aber dass diese Unterscheidung keine Unterscheidung zwischen Zahlungsmitteln, die kein Geld sind, wie etwa einem Wechsel, und Zahlungsmitteln, die Geld sind, zulässt. Wie aber lässt sich dann zwischen Zahlungsmitteln, denen die Geldeigenschaft zukommt und solchen, denen sie nicht zukommt, unterscheiden?

„Wir bleiben im engsten Zusammenhang mit der Wirklichkeit, wenn wir als Kennzeichen benutzen: die Annahme bei Zahlungen, die an staatliche Kassen gerichtet sind. Zum staatlichen Geldsystem gehören demnach alle Zahlungsmittel, mit denen man Zahlungen an den Staat leisten kann. Hiernach ist nicht die Emission entscheidend, sondern die Akzeptation, wie wir es nennen wollen. Die staatliche Akzeptation begrenzt also den Umfang des staatlichen Geldwesens. Unter staatlicher Akzeptation ist nur die Annahme bei staatlichen Kassen, wobei also der Staat als Empfänger gedacht wird, zu verstehen.“

Was Geld von allen anderen Zahlungsmitteln nach seiner Meinung unterscheidet, ist, dass es vom Staat als Zahlungsmittel für die Begleichung von Zwangszahlungen – wie z.B. von Steuern, Abgaben, Gebühren, Strafzahlungen (Steuerschulden) – akzeptiert wird. Zahlungsmittel sind für ihn also nur dann Geld, wenn sie dazu dienen können, Steuerschulden gegenüber dem Staat zu begleichen.

Reden wir über Geld, dann müssen wir zwischen Geld als Recheneinheit und Geld als Zahlungsmittel unterscheiden. Geld als Recheneinheit gibt es nur dann, wenn es Gesetze und Normen gibt, die festlegen, welche Güter wie unter welchen Umständen mit einer Währung zu bewerten sind. Geld als Zahlungsmittel kann es nur geben, wenn es Gesetze und Normen gibt, die festlegen, wer unter welchen Umständen Geld emittieren darf und wie der Transfer von Geld von Geldschuldnern zu Geldgläubigern zu erfolgen hat.

Antworten auf diese Fragen erhalten wir nach Meinung Knapps durch einen Blick in die Rechtsordnung. Allerdings erkannte schon Knapp korrekt, dass

„die Rechtsordnung nicht auf der Gesetzgebung allein beruht, sondern auch von Machtverhältnissen abhängt; es gibt politische Lagen, die maßgebend für die Rechtsordnung werden; wir gehen hier stets auf den Ursprung der Rechtsordnung zurück und müssen es tun. Das ist freilich nicht mehr Jurisprudenz, als welche verpflichtet ist bei gegebener Rechtsordnung stehen zu bleiben – es ist Politik und in dies Gebiet gehört das Geldwesen.“

Wichtig ist dieser Hinweis von Knapp, da er klarmacht, dass es nicht ausreicht, einen Juristen um Auskunft zu bitten, wenn wir zwischen Geld und anderen Zahlungsmitteln unterscheiden wollen. Sagt uns ein Jurist, dass Geld nur Bargeld und Giroguthaben lediglich eine Forderung auf Geld ist, dann ist die Frage weiterhin legitim, ob inzwischen nicht Normen in Kraft sind, die es erlauben, Giroguthaben als Geld zu erachten.

Was seine Akzeptanz erklärt

Geld ist nach dem bislang Gesagten einerseits ein Mittel, das es erlaubt Ansprüche zu bewerten und andererseits ein Zahlungsmittel, das es erlaubt Geldschulden zu begleichen. Im Folgenden möchte ich für den ersten Fall den Begriff der Währung und für den zweiten den Begriff des Geldes verwenden.

Die Funktion einer Währung ist damit also, die Höhe w von Ansprüchen eines Subjekts i gegenüber einem Subjekt j auf ein Gut G zu beziffern. Hat ein i einen Anspruch gegenüber j, dann gilt analytisch, dass j eine Schuld gegenüber i hat. Wir können daher auch sagen, dass es die Funktion einer Währung ist, Schulden eines j gegenüber einem i zu beziffern. Sind Verfahren etabliert, die eine solche Bewertung von Ansprüchen bzw. Schulden erlauben, dann können Ansprüche und Schulden von Subjekten auch miteinander verrechnet werden. Schuldet ein Subjekt i einem Subjekt j z.B. 20 Einheiten von G und j i 18 Einheiten von G, dann reduziert sich die Verpflichtung von i des Transfers von G an j von 20 auf 2 Einheiten.

Schon die Sumerer vor mehr als 5000 Jahren kannten das Konzept einer Währung. Als Recheneinheit diente ihnen der Shekel. Der Shekel diente jedoch nicht als Tauschmittel. Tausch spielte bei den Sumerern praktisch keine Rolle, da die sumerische Wirtschaft über Befehl und Gehorsam und nicht über Tausch organisiert war. Die Funktion des Shekels war in erster Linie ein Instrument der Verwaltung für die abstrakte Bewertung von Schulden, insbesondere von Steuerschulden.

Herrschende können und haben Steuern auch über Naturalabgaben erhoben. Ein Herrscher kann sich an seine Untertanen wenden und sie auffordern, dass sie so und so viel Gerste, Bier, Ziegen etc. an ihn abzuliefern haben oder für ihn gar in einen Krieg ziehen müssen. Anstatt aber genau zu spezifizieren, was ihre Untertanen genau für ihn tun müssen, kann er ihnen auch eine Steuerschuld in einer bestimmten Höhe auferlegen und dann verfügen, dass er Güter an ihn zu liefern hat, die der Herrscher mit einem bestimmten Betrag bewertet hat.

Mit einer Währung werden nach dem Gesagten nicht die quantifizierbaren Eigenschaften eines beliebigen Wirtschaftsguts in Analogie zu konventionellen Maßen gemessen, sondern Ansprüche bzw. Schulden eines Subjekts gegenüber einem anderen quantifizierbaren Gut für bestimmte Umstände festgelegt. So wird z.B. im § 433 BGB festgelegt, dass der Käufer dem Verkäufer eines Wirtschaftsguts im Gegenzug ein Gut „Geld“ in einer bestimmten Höhe zu transferieren hat.

Wenn sich Unternehmer einen monetären Gewinn aus ihren spekulativen Unternehmungen erwarten und dieser monetäre Gewinn dann auch tatsächlich realisiert wird, sie sich aber mit einem solchen nominalen Gewinn nur noch 1/10 der Konsumgüter leisten können, im Vergleich zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre Investitionsentscheidung getroffen haben, dann wird unser Unternehmer mit diesem Geld sicherlich nicht mehr rechnen wollen. Die Sorge, die ihn umtreibt, ist der Kaufkraftverlust der Währung oder, wie auch gesagt wird, die Inflation. Da die Ansprüche, die Geld dokumentieren, aber in Währung denominiert sind, ist es für die Akzeptanz von Geld (also als Zahlungsmittel) unabdingbar, dass die Bewertung vergleichbarer Güter im Zeitverlauf relativ stabil bleibt. Die Gewährleistung einer stabilen Inflationsrate ist also ohne Zweifel eine essentielle Voraussetzung dafür, dass intrinsisch wertlose „Marken“ zum allgemein akzeptierten Zahlungsmittel avancieren können.

Warum aber akzeptiert jemand überhaupt, dass er für reale Wirtschaftsgüter lediglich im Gegenzug eine Dokumentation von in Währung denominierter Ansprüche erhält? Eine Antwort auf diese Frage erhält man, wenn man sich klar macht, dass ein Staat nicht das Problem hat, an Steuergelder zu kommen, sondern der Steuerzahler das Problem hat, an die Zahlungsmittel zu kommen, die der Staat zur Zahlung von Steuern akzeptiert. Da ein Staat Steuerzahler, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, bestraft, hat er guten Grund, sich zu bemühen, an die Zahlungsmittel zu kommen, die der Staat zu deren Begleichung akzeptiert.

Es ist also Zwang, der die Akzeptanz eines Zahlungsmittels erklärt. Jeder kann daher eigentlich intrinsisch wertlose Dokumentationen produzieren und damit seine Geldschulden begleichen. Was man nur tun muss, ist dem anderen eine Geldschuld aufzubürden und dann genau zu spezifizieren, welche Bedingungen die Dokumentation zu erfüllen hat, damit sie als Mittel zur Bezahlung von Steuerschulden akzeptiert wird.

Sie könnten so z.B. selbst ein privates Währungsgebiet etablieren, indem sie ihren Familienmitgliedern Steuerschulden etwa in Pablos aufbürden. Sie deklarieren dann, dass ein Pablo ein roter Chip sei und dieser z.B. von ihrem Sohn am Ende einer jeden Woche an sie zu bezahlen sei. Ihr Sohn wird sie nun fragen, wie er denn an diesen Pablo kommt. Und sie können ihm sagen, dass er sich einen solchen Pablo verdienen kann, wenn er die Spülmaschine ausräumt. Und dann überlegt man, welche Aufgaben man seiner Frau aufbürden kann, und verfährt in analoger Weise. Wenn nun die Familienmitglieder die Auferlegung einer Steuerschuld in Pablos akzeptieren, dann hat man sein eigenes privates Währungsgebiet geschaffen.

Die Crux ist, die Familienmitglieder dazu zu bringen, die generellen Aufforderungen auch zu akzeptieren. Da aber ein Familienmitglied den anderen nicht– wie etwa die Bundesrepublik Deutschland – damit drohen kann, es für zehn Jahre ins Gefängnis zu werfen, wenn es die Steuerschulden nicht bezahlt, ist es innerhalb von Familien schwer, Währungsgebiete zu etablieren.

Knapp zu lesen und seine Lehren zu verbreiten, ist ein probates Mittel gegen die geldtheoretische Blindheit der meisten Ökonomen, die sich in Sprüchen wie „Money is what Money does“ manifestiert. Da diese Blindheit aber ein wesentlicher Grund für die nun schon seit fast drei Dekaden tobende Krise der Ökonomik ist, bleibt Knapp als ein Aufklärer über geldtheoretische Zusammenhänge weiterhin unverzichtbar.