GESELLSCHAFT FÜR POLITISCHE ÖKONOMIE E.V.
Georg Friedrich Knapp

Georg Friedrich Knapp – Der vergessene Vordenker

Die Funktion von Geld zu verstehen, ist ein wesentlicher Grundpfeiler unseres Blickes auf die Ökonomie. Hier liegt das Verdienst von Georg Friedrich Knapp, einem der Gründungsväter des Vereins für Socialpolitik. Mit Bedauern stellen wir fest, dass dieser in den heutigen wirtschaftspolitischen Debatten, die sich durch einen eklatanten Wissensmangel über unser Geldsystem auszeichnen, kaum noch eine Rolle spielt. Doch das war nicht immer so.

Sein 1905 verfasstes Werk "Die Staatliche Theorie des Geldes" war ein Klassiker im besten Sinne des Wortes. Mit ihm begründete Georg Friedrich Knapp als einer der ersten den Geldwert nicht über den Tausch und damit einhergehende Nutzenempfindungen, sondern positiv-rechtlich. Für Knapp ist „Geld ein Geschöpf der Rechtsordnung, welche dessen Gebrauch regelt“. Geld hat also keinen intrinsischen Wert. Damit widersetzte sich Knapp der damals weit verbreiteten Auffassung, dass Geld aus der Numismatik, dem Studium der Münzsammlung, verstanden werden könne. Max Weber bezeichnete das Werk als "eines der größten Meisterstücke der deutschen (…) wissenschaftlichen Denkschärfe". Und Joseph Schumpeter schrieb über Knapp:

"Er hatte eine klare, ich möchte sagen leidenschaftliche Vision vom Wesen der Dinge, die weit unter der Oberfläche durchdrangen. Er sah die Prozesse und Probleme der Geschichte und begriff sie fester als die meisten Menschen die sie umgebenden Fakten. Und er stützte seine historische Analyse auf eine umfassende Kenntnis der heutigen Fakten."

Geboren 1842 und gestorben 1926, studierte Knapp Volkswirtschaftslehre in München, Berlin und Göttingen. 1874 wurde er zum Professor an der neu gegründeten Straßburger Universität ernannt und blieb dort, bis das Elsass an Frankreich zurückfiel und er 1919 auswanderte.

Als 1924, zwei Jahre vor Knapps Tod, die von der Royal Economic Society offenbar auf Wunsch von John Maynard Keynes in Auftrag gegebene englische Übersetzung des Werks erschien, hatte die deutsche Version bereits vier Ausgaben durchlaufen. Die damalige Debatte über den 'Chartalismus', der Idee, dass das Geld seine Akzeptanz allein über seine Bedeutung als legales Zahlungsmittel erhält, war alles andere als ein Randphänomen und wirkt bis heute nach. Im März 1922, also im Jahr vor dem Höhepunkt der Hyperinflation in Deutschland, erschien ein Sonderheft des Wirtschaftsdienst zum 80. Geburtstag von Georg Friedrich Knapp. Tatsächlich wäre der Postkeynesianismus ohne Knapp kaum denkbar, da sein Geldbegriff auf John Maynard Keynes einen entscheidenden Einfluss ausübte.

Das Knapps Geldtheorie heute in breite Vergessenheit geraten ist, mag auch daran liegen, dass ausgerechnet den Schülern von Keynes entging, welche Rolle Keynes in der Übersetzung von Knapps "Staatlicher Theorie des Geldes" spielte und auch welchen Einfluss Knapp auf Keynes hatte. Weder Robert Skidelsky in seiner dreibändigen Keynes-Biographie (1992) noch Don Patinkin in seinen Anticipations of the General Theory (1982) erwähnen Knapp mit nur einem Wort.

Gänzlich vergessen wurde Knapp aber nicht, wie Hans-Michael Trautwein (2003) in einem Kapitel über Knapp in einem Buch über europäische Ökonomen des frühen 20. Jahrhunderts zeigt. Es waren Randall Wray und andere Post-Chartalisten der modernen Geldtheorie, die Knapp zurück in den akademischen Diskurs brachten. Zumal in den letzten Jahren, nicht zuletzt angesichts mannigfaltiger Krisen, monetäre Fragen auf die Tagesordnung der Ökonomen zurückgekehrt sind. Die Einführung des Euro in den 90er Jahren, der sich als Geburtsfehler erwies, zeigen, wie dringend notwendig eine Geldtheorie ist, die auf Probleme der realen Welt anwendbar ist.

Und auch die wohl wichtigste und mittlerweile wieder breitdiskutierte Einsicht, dass der Staat keiner Budgetbeschränkung unterliegt, wurde erstmals von Georg Friedrich Knapp beschrieben. Der Grund hierfür ist, in den Worten Knapps, eine Evolution: der Übergang von Metall- zu Papiergeld. Denn Knapps „Staatliche Theorie“ fiel in eine Phase, in der die Bedeutung von Münzen drastisch abnahm. Die Reichsbanknoten wurden ab 1910 gesetzliches Zahlungsmittel und mussten damit, wie zuvor nur Münzen, unbegrenzt und schuldbefreiend angenommen werden. Gleichzeitig stieg die praktische Bedeutung von Kreditgeld an, sodass eine Warentheorie des Geldes immer weniger die tatsächliche Situation widerspiegelte.

Für Knapp war also klar, es ist die Proklamation durch den Staat, die einem Mittel der Zahlung ihre Gültigkeit gibt, nicht das Gewicht. Geld sei im Wesentlichen nicht mehr als Tickets, Briefmarken und Wertmarken, die ebenfalls keinen inneren Wert haben, sondern ihre Bedeutung aus dem institutionellen (rechtlichen) Umfeld gewinnen.

Dieser institutionelle Ansatz und Knapps Ablehnung der klassischen Quantitätstheorie waren ein erster Schritt zu den späteren Theorien von Keynes und seiner Schule, die vor dem Eindruck der ersten Weltwirtschaftskrise einer expansiven Fiskalpolitik das Wort redeten. Der Staat hat auch deshalb die Fähigkeit dazu, weil Staatsausgaben eben nicht steuerfinanziert sind. Keynes folgt Knapp, wenn er konstatiert, dass der Staat zuerst ausgibt und erst danach Steuern einzieht. Mit anderen Worten: da der Staat der Emittent der Währung ist und das Geld in den Umlauf bringt, ist er auch fiskalpolitisch handlungsfähig.

Dennoch war die damalige akademische Rezeption von Knapps staatlicher Geldtheorie keine Überraschung. Autoren, die in der Tradition des metallistischen Denkens standen, sahen das Buch höchstens als eine interessante Ergänzung aus einer Rechtsperspektive, die aber nicht in der Lage wäre, den Blick der Ökonomen auf das Geld in Frage zu stellen.

Unser Verein sieht das anders: Knapp zu lesen und seine Lehren zu verbreiten, bleibt ein probates Mittel gegen die geldtheoretische Blindheit der meisten Ökonomen, die sich in Aussagen wie „Money is what Money does“ manifestiert. Da diese Blindheit ein wesentlicher Grund für die nun schon seit knapp drei Dekaden tobende Krise der Ökonomik ist, bleibt Knapp als Aufklärer geldtheoretischer Zusammenhänge weiterhin unverzichtbar.